Motivation


In den letzten zehn Jahren sind die Tourismuszahlen in Berlin wie in keiner anderen Großstadt weltweit gewachsen. 2003 zählten Berliner Hotels gerade mal 11 Millionen Übernachtungen, zehn Jahre später sind es bereits 27 Millionen. Viele Berliner fühlen sich von diesem rasanten Wachstum und den Veränderungen in ihrer Stadt bedrängt.

Ihren Unmut äußern manche in Parolen, die sie an Hauswände in Kreuzberg und Neukölln schreiben, wie etwa ‘No more Rollkoffer’ oder ‘Touristen fisten.’ Der Senat betont stetig, wie wichtig das Touristenwachstum sei, denn es spüle Geld in die leeren Kassen der Stadt. Der sichtbarste Teil der Tourismuspolitik des Senates sind jedoch die regelmäßigen Veröffentlichungen der Besucher-Rekordzahlen.

Auch vor meiner Haustür im Schillerkiez in Neukölln sind die Veränderungen unübersehbar: In den letzten zwei Jahren haben in meinem näheren Umfeld knapp ein Dutzend hippe Bars und Restaurants eröffnet, die Mieten sind bereits um das dreifache gestiegen und außer türkisch höre ich nun amerikanisch, französisch, spanisch und italienisch auf der Straße. Auch böse Sprüche gegen Rollkoffer und Touristen an den Hauswänden fehlen nicht, Plakate gegen Ferienwohnungen und Mietwucher inklusive.

Diese Form von Touristenfeindlichkeit war mir aus keiner anderen Stadt bekannt. Ich wollte herausfinden, warum sie sich gerade in einer angeblich so toleranten Stadt festfraß. Das Typische an Berlin war doch schon immer, dass viele ihrer Bewohner nicht hier geboren sind, sondern sich die Stadt als Wahlheimat gesucht haben. Kreuzberg ist zu knapp 90% von Zugezogenen bewohnt. Wie kann es also sein, dass gerade dort die Leute solch massive Probleme mit Touristen haben?

Zerstören stetig wachsende Touristenhorden – insbesondere die verhassten, weil lauten und schmutzenden Easyjetsetter aus teureren europäischen Ländern – die ganz besondere Atmosphäre, den einzigartigen Kiez und die viel gepriesenen Berliner Freiräume? Sind die Touristen mit Schuld an der Gentrifizierung? Gibt es Alternativen, einen sanften Tourismus für Berliner Biotope? All diesen Fragen wollen wir nachgehen, ohne von einer vorgefassten Position auszugehen.

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